Xinjiang, die größte Autonome Region Chinas, erstreckt sich über 1,6 Millionen Quadratkilometer im äußersten Nordwesten des Landes. Die Region, auch bekannt als Chinesisch-Turkestan, bildete über Jahrhunderte den zentralen Knotenpunkt der antiken Seidenstraße und beheimatet eine faszinierende Mischung aus uigurischen, kasachischen, kirgisischen und han-chinesischen Traditionen.
Mit extremen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sowie zwischen den Jahreszeiten solltest du dich auf eine Reise der Kontraste einstellen. Im Sommer können die Temperaturen in der Taklamakan-Wüste auf über 40°C steigen, während sie im Winter in den nördlichen Bergregionen auf bis zu -30°C fallen können.
Die besten Reisezeiten
Der Frühling (April bis Juni) und der Herbst (September bis Oktober) bieten die angenehmsten Bedingungen für eine Reise durch Xinjiang. In diesen Monaten sind die Temperaturen moderat, und die Landschaft zeigt sich in ihrer vollen Pracht – sei es durch blühende Weidelandschaften im Frühjahr oder goldene Pappelwälder im Herbst. Die Sommermonate (Juli und August) eignen sich gut für Besuche in den höheren Lagen des Tian Shan-Gebirges, während die Wüstenregionen in dieser Zeit unerträglich heiß werden können.
Der Winter in Xinjiang ist hart aber bietet einzigartige Erlebnisse für Abenteuerlustige: Skifahren im Tian Shan oder das Erleben traditioneller Winterfeste der lokalen Bevölkerung sind nur zwei der Möglichkeiten.
Urumqi: Tor zu Xinjiang
Die Hauptstadt Xinjiangs, Urumqi, ist mit 3,5 Millionen Einwohnern der wahrscheinliche Startpunkt deiner Reise. Als die am weitesten vom Meer entfernte Großstadt der Welt bietet Urumqi einen faszinierenden kulturellen Schmelztiegel. Der Erdaoqiao Basar im uigurischen Viertel ist ein Fest für die Sinne mit seinen Gewürzständen, Teppichhändlern und Straßenküchen, die Spezialitäten wie Lamm-Kebabs (Kawap) und handgezogene Nudelsuppen (Laghman) anbieten.
Das Xinjiang Regionale Museum sollte deine erste Anlaufstelle sein, um die reiche Geschichte der Region zu verstehen. Hier findest du beeindruckende Mumien aus der Taklamakan-Wüste, die bis zu 4.000 Jahre alt sind und erstaunlich gut erhaltene Kleidung, Haare und sogar Gesichtszüge aufweisen.
Für einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt und das umliegende Tian Shan-Gebirge empfiehlt sich ein Ausflug zum Hongshan (Roter Berg) Park im Norden der Stadt. Von hier aus kannst du bei klarem Wetter bis zum schneebedeckten Bogda Peak sehen, der das Stadtbild dominiert.
Die alten Städte der Seidenstraße
Kaschgar (Kashgar), etwa 1.500 km westlich von Urumqi, ist das kulturelle Herz des uigurischen Xinjiang und eine der faszinierendsten alten Städte entlang der Seidenstraße. Trotz umfangreicher Modernisierungsprojekte in den letzten Jahren bewahrt die Stadt in Teilen ihren historischen Charakter. Der Sonntagsmarkt von Kaschgar ist mit über 2.000 Jahren einer der ältesten und größten Basare Zentralasiens. Hier versammeln sich Händler und Käufer aus ganz Xinjiang und den angrenzenden Ländern.
Die Id-Kah-Moschee, die größte Moschee Chinas, dominiert das Zentrum der Altstadt und bietet Platz für bis zu 20.000 Gläubige. Der Besuch des umliegenden Altstadtviertels mit seinen verwinkelten Gassen, traditionellen Handwerksbetrieben und Lehmhäusern vermittelt ein lebendiges Bild vom Leben an der alten Seidenstraße.
Etwa 70 km von Kaschgar entfernt liegt Shipton's Arch, mit 500 Metern Höhe der größte natürliche Steinbogen der Welt – ein beeindruckendes Naturwunder, das erst 2000 für den westlichen Tourismus wiederentdeckt wurde.
Turpan, eine weitere historische Oasenstadt, liegt 150 Meter unter dem Meeresspiegel in einer der heißesten und trockensten Regionen Chinas. Die Stadt ist berühmt für ihre süßen Trauben und Rosinen sowie für das ausgeklügelte Karez-Bewässerungssystem – ein Netzwerk aus unterirdischen Kanälen, das seit über 2.000 Jahren Wasser vom Tian Shan-Gebirge in die Oase leitet.
In der Nähe von Turpan befinden sich die Ruinen von Jiaohe und Gaochang, zwei bedeutenden Städten entlang der antiken Seidenstraße. Diese verlassenen Siedlungen aus Lehm haben dank des trockenen Klimas die Jahrhunderte überdauert und bieten einen faszinierenden Einblick in das Leben während der Tang-Dynastie.
Die Wüsten Xinjiangs
Die Taklamakan-Wüste, die zweitgrößte Sandwüste der Welt, nimmt einen bedeutenden Teil Süd-Xinjiangs ein. Ihr Name wird oft als "Ort, von dem es keine Rückkehr gibt" übersetzt – ein Hinweis auf ihre gefürchtete Reputation unter den Karawanen der Seidenstraße. Heute führt die Wüstenautobahn Tarim durch die Mitte der Taklamakan und ermöglicht eine sichere Durchquerung.
Für ein authentisches Wüstenerlebnis bieten sich geführte Touren zu den singenden Sanddünen in der Nähe von Dunhuang (technisch in der Provinz Gansu, aber oft Teil einer Xinjiang-Reiseroute) an. Diese bis zu 300 Meter hohen Dünen erzeugen bei bestimmten Wetterbedingungen ein unheimliches Summen, wenn der Sand in Bewegung gerät.
Die Gobi-Wüste erstreckt sich im Osten Xinjiangs und bietet mit ihren Steinwüsten und zerklüfteten Gebirgsformationen ein kontrastreiches Landschaftsbild zur sandigen Taklamakan. Besonders beeindruckend sind die "Flammenden Berge" nördlich von Turpan – rotgefärbte Sandsteinformationen, die in der Hitze des Sommers zu glühen scheinen.
Die Berge und Seen des Tian Shan
Das Tian Shan-Gebirge ("Himmelsgebirge") durchzieht Xinjiang von Osten nach Westen und bietet einige der spektakulärsten Landschaften Zentralasiens. Der Tianchi-See ("Himmelssee") auf 1.980 Metern Höhe ist ein kristallklarer alpiner See, umgeben von schneebedeckten Gipfeln und dichten Nadelwäldern. Im Sommer ziehen nomadische Kasachen mit ihren Jurten und Herden in diese Region und bieten Besuchern die Möglichkeit, ihre Lebensweise kennenzulernen.
Das Naturreservat Kanas im nördlichsten Zipfel Xinjiangs beherbergt den gleichnamigen See, der für sein türkisfarbenes Wasser und die umgebenden Lärchenwälder bekannt ist. Die Region wird von der tuwinischen Minderheit bewohnt, deren Kultur stark von sibirischen Einflüssen geprägt ist.
Für Bergsteiger und Trekking-Enthusiasten bietet der 7.546 Meter hohe Muztagh Ata ("Vater der Eisberge") eine der zugänglichsten Expeditionen zu einem Siebentausender weltweit. Weniger anspruchsvolle, aber nicht weniger beeindruckende Wanderungen führen durch die Schluchten und Alpwiesen des Nalati-Graslands oder entlang der kasachischen Siedlungen im Ili-Tal.
Kulinarische Entdeckungen
Die Küche Xinjiangs spiegelt die kulturelle Vielfalt der Region wider und unterscheidet sich deutlich von der traditionellen chinesischen Küche. Zentralasiatische und türkische Einflüsse dominieren die lokalen Speisen, mit einem starken Fokus auf Lammfleisch, Brot und Milchprodukte.
Einige Spezialitäten, die du unbedingt probieren solltest:
- Polo (Pilaf): Ein Reisgericht mit Lammfleisch, Karotten und Rosinen, das besonders bei festlichen Anlässen serviert wird.
- Lagman: Handgezogene Nudeln in einer würzigen Suppe mit Gemüse und Fleisch.
- Samsa: Gebackene oder frittierte Teigtaschen gefüllt mit gewürztem Lammfleisch und Zwiebeln.
- Kawap (Kebab): Gegrillte Lammspieße, typischerweise mit Kreuzkümmel und Chilipulver gewürzt.
- Nang: Flaches, rundes Brot mit geprägten Mustern, das in Tonöfen gebacken wird.
- Yoghurt und Kumis: Fermentierte Milchprodukte, die besonders bei den nomadischen Völkern beliebt sind.
Auf den lokalen Märkten findest du eine Vielzahl an frischen und getrockneten Früchten. Xinjiang ist berühmt für seine süßen Melonen, Trauben, Aprikosen und Walnüsse. Die Region produziert außerdem hochwertigen Honig, der von Bienen stammt, die auf den Bergwiesen des Tian Shan-Gebirges Nektar sammeln.
Praktische Reisetipps
Die Reise durch Xinjiang erfordert etwas mehr Planung als Besuche in den östlichen Provinzen Chinas. Hier einige wichtige Hinweise:
- Für die Einreise nach China benötigst du ein Visum, das bereits vor der Reise bei einer chinesischen Botschaft oder einem Konsulat beantragt werden muss.
- Die Sicherheitskontrollen in Xinjiang sind strenger als in anderen Teilen Chinas. Rechne mit häufigen Ausweiskontrollen und Durchsuchungen, besonders an Bahnhöfen und Busstationen.
- Die Internetverbindung kann eingeschränkt sein, und viele westliche Webseiten und Apps sind ohne VPN nicht zugänglich. Besorge dir einen VPN-Dienst vor deiner Reise nach China.
- Die Distanzen in Xinjiang sind enorm. Für lange Strecken wie Urumqi nach Kaschgar empfiehlt sich die Nutzung inländischer Flüge oder der Hochgeschwindigkeitszüge.
- Englischkenntnisse sind außerhalb der größeren Hotels und Touristenattraktionen selten anzutreffen. Eine Übersetzungs-App oder ein paar grundlegende Mandarin- und Uigurisch-Phrasen können sehr hilfreich sein.
- Respektiere lokale Gebräuche und Traditionen. Die Mehrheit der Uiguren und Kasachen sind Muslime – angemessene Kleidung beim Besuch religiöser Stätten ist obligatorisch.
- Das Trinkwasser aus der Leitung ist nicht sicher. Kaufe abgefülltes Wasser oder bringe einen Wasserfilter mit.
Unterkunft und Transport
In Urumqi, Kaschgar und anderen größeren Städten findest du eine gute Auswahl an Unterkünften von einfachen Hostels bis zu Luxushotels. In ländlicheren Gebieten bieten Homestays bei lokalen Familien oder Jurten-Camps in den Bergregionen authentische Übernachtungsmöglichkeiten.
Für die Fortbewegung zwischen den Städten stehen verschiedene Optionen zur Verfügung:
- Züge: Das Hochgeschwindigkeitsnetz verbindet inzwischen Urumqi mit Kaschgar und anderen wichtigen Städten. Diese modernen Züge sind komfortabel und zuverlässig.
- Busse: Ein umfangreiches Busnetz bedient auch entlegenere Orte. Die Qualität variiert stark – auf Hauptrouten sind moderne Busse mit Klimaanlage üblich, während ländliche Strecken oft mit älteren Fahrzeugen bedient werden.
- Inlandsflüge: Für sehr große Distanzen ist das Flugzeug die praktischste Option. Regelmäßige Verbindungen bestehen zwischen Urumqi und Städten wie Kaschgar, Hotan und Yining.
- Mietwagen: Selbstfahren ist in Xinjiang für ausländische Touristen kompliziert und erfordert einen chinesischen Führerschein. Eine praktikablere Alternative ist die Anmietung eines Fahrers mit Fahrzeug.
Innerhalb der Städte sind Taxis preiswert und weit verbreitet. In Urumqi gibt es auch ein öffentliches Bussystem und eine U-Bahn-Linie. In kleineren Städten wie Kaschgar sind Fahrrad-Rikschas eine unterhaltsame Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden.
Nachhaltig reisen in Xinjiang
Xinjiang verfügt über fragile Ökosysteme, die durch Klimawandel und menschliche Aktivitäten unter Druck stehen. Als verantwortungsvoller Reisender kannst du dazu beitragen, die Umweltbelastung zu minimieren:
- Vermeide Einwegplastik und bringe wiederverwendbare Wasserflaschen, Einkaufstaschen und Behälter mit.
- Bleibe auf markierten Wegen, besonders in Naturschutzgebieten.
- Unterstütze lokale Unternehmen und Handwerker, um direkt zur Wirtschaft der Region beizutragen.
- Respektiere die Natur und hinterlasse keinen Müll in Wildnisgebieten.
- Fotografiere Menschen nur mit deren Einverständnis, besonders in traditionellen Gemeinden.